Demografischer Wandel beschreibt das Phänomen, dass die Bevölkerung durchschnittlich immer älter wird. Für den Arbeitsmarkt bedeutet das, dass immer mehr ältere Menschen mit viel Erfahrungswissen in den Ruhestand gehen und zu wenige junge Erwachsene auf die freien Positionen nachrücken. Es wird prognostiziert, dass die Zahl der Personen im bildungsrelevanten Alter (bis 30 Jahre) bis 2030 im Vergleich zu 2010 um 14 % sinkt1. Es gibt also nicht nur im Allgemeinen zu wenig junge Menschen, die die Lücke zwischen den Generationen füllen können, sondern somit auch zu wenig Träger, an die das – für uns so wichtige – Erfahrungswissen weitergegeben werden kann.
1 Quelle: Martin Baethge, Christian Kerst, Michael Leszczensky, Markus Wieck (2014): Zur neuen Konstellation zwischen Hochschulbildung und Berufsausbildung. Hg.: Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI). In: Forum Hochschule 03/2014.
Nicht nur der Altersdurchschnitt der Bevölkerung verändert sich, sondern auch die Bildungswege der Kinder und Jugendlichen. Während fast 50 % eines Altersjahrgangs die Schule mit dem Abitur abschließen und somit studienberechtigt sind, gehen die Zahlen der Absolventen mit anderen Schulabschlüssen deutlich zurück2. Das Gleichgewicht des Bildungssystems scheint somit aus der Bahn geworfen zu werden.
2 Quellen: 1) Statistisches Bundesamt – Destatis (2021): Studienberechtigtenquote: Deutschland, Jahre, Schulabschluss. Code: 21381-004 (Stand 09.08.2021). https://www-genesis.destatis.de/genesis/online [10.08.2021] | 2) Martin Baethge, Christian Kerst, Michael Leszczensky, Markus Wieck (2014): Zur neuen Konstellation zwischen Hochschulbildung und Berufsausbildung. Hg.: Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI). In: Forum Hochschule 03/2014.
Der Trend zum Abitur bleibt nicht ohne Folgen. Immer mehr Abiturienten nutzen ihre Zugangsberechtigung auch für ein Studium.3 Das führt dazu, dass es immer mehr Studierende und dafür weniger Auszubildende gibt. Unterstützt wird dieser Trend auch lange von der Politik, da laut der OECD der wirtschaftliche Erfolg eines Landes mit der Akademisierungsquote einhergeht.4 Darunter leidet nicht nur die Wirtschaft aufgrund von Besetzungslücken! Auch die Ausbildung der Studenten verliert langfristig an Qualität. Die große Anzahl Studierender führt dazu, dass vieles über einen Kamm geschert wird. Individuelle Wünsche können nicht berücksichtigt werden. Ganz im Gegenteil zu einer Ausbildung.
Allein im Handwerk gab es 2020 10.680 weniger neu abgeschlossene Ausbildungsverträge als zum Vorjahr.5 Das entspricht einem Minus von 7,5 %.5
Zusammenfassung: Das Handwerk hat das größte Besetzungsproblem. Mit einem Wert von 18.600 (12,8 % der angebotenen Stellen) hat sich die Anzahl der unbesetzten Stellen im Handwerk seit 2009 vervierfacht.5
Die Folge: Fachkräftemangel und Falschpositionierung von Studienabsolventen.6
3 Quellen: 1) Martin Baethge, Christian Kerst, Michael Leszczensky, Markus Wieck (2014): Zur neuen Konstellation zwischen Hochschulbildung und Berufsausbildung. Hg.: Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI). In: Forum Hochschule 03/2014. | 2) Statistisches Bundesamt – Destatis (2021): Studienanfängerquote – (Hochschulzugangsberechtigung): Deutschland, Jahre, Geschlecht. Code: 21381-0002 (Stand 09.08.2021). https://www-genesis.destatis.de/genesis/online [10.08.21]
4 Quelle: Alesi, Bettina/Teichler, Ulrich (2013): Akademisierung von Bildung und Beruf – ein kontroverser Diskurs in Deutschland. In: Akademinsierung der Berufswelt? Hrsg.: Severing, Eckart/Teichler, Ulrich, Bonn: Bundesinstitut für Berufsbildung, S.19-3
5 Quelle: Bundesinstitut für Berufsbildung (2021): Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2021. Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung. 1. Auflage 2021. https://www.bibb.de/dokumente/pdf/bibb-datenreport-2021.pdf [10.08.21]
6 Quelle: Boll, Christina/Leppin, Julian Sebastian (2014): Formale Überqualifikation unter west- und ostdeutschen Beschäftigten. Wirtschaftsdienst 94, S. 50-57
Quellen: 1) Statistisches Bundesamt – Destatis (2021): Ausbildungsverträge: Deutschland, Jahre, Nationalität, Geschlecht, Ausbildungsbereich. Code: 21211-0004 (Stand 09.08.2021). https://www-genesis.destatis.de/genesis/online [10.08.2021] | 2) Statistisches Bundesamt – Destatis (2021): Studienanfänger: Deutschland, Semester, Nationalität, Geschlecht. Code: 21311-0010 (Stand 09.08.2021). https://www-genesis.destatis.de/genesis/online [10.08.2021]
Ein großes Problem im Diskurs um den Fachkräftemangel und die Akademisierung in Deutschland stellt die fehlende Anerkennung handwerklicher Berufe dar. Zu Unrecht! Für die deutsche Produktions- und Innovationslandschaft sind die Potentiale beider Seiten gleichbedeutend. Unterschiedliche Begabungen und Fähigkeiten sollten also auch gleichwertig gefördert, unterstützt und anerkannt werden.
Laut deutschem Qualifikationsrahmen sind z.B. Meister, Techniker oder Fachwirte s.g.
„Bachelor of Professional“ und den Bachelor-Absolventen der Hochschulen gleichgestellt.7
It’s all about money
Ein zweites großes Problem: Geld. Oft herrscht immer noch das Vorurteil, dass man nur mit einem Universitäts- oder Fachhochschulabschluss viel Geld verdienen kann. Das stimmt nur bedingt.
7 Quelle: Bundesministerium für Bildung und Forschung (2021): DQR – Deutscher Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen. https://www.dqr.de/index.php [10.08.21]
Quelle: Statistisches Bundesamt – Destatis (2021): Unbereinigter Verdienstunterschied nach persönlichen Merkmalen im Jahr 2018 (Stand 08.12.2018). https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Verdienste/Verdienste-Verdienstunterschiede/Tabellen/gpg-persoenlich.html [10.08.2021]